Ein Burnout kann am Arbeitsplatz, in der Familie und in insbesondere toxischen Beziehungen auftreten. Überall wo wir uns in sozialen Kontakten bis zur inneren Aushöhlung veräußern und dabei unsere Energie und Aufmerksamkeit primär nach nach Außen richten. Es fehlt die Balance zwischen Innen und Außen.
Burnout kann nur dann auftreten, wenn wir nicht ausreichend mit uns selbst verbunden sind. Wenn wir unsere Grenzen und echten Bedürfnisse nicht ausreichend wahrnehmen und danach handeln, weil wir uns kaum bis gar nie mit unserer Aufmerksamkeit nach Innen richten, um uns selbst wahrzunehmen.
Kurz gesagt: Wenn wir nicht unser wahres Selbst leben, welches Autonom und bewusst (gewahr) ist, sondern aus einem verengten Bewusstsein des Egos und seiner Bedürftigkeit bzw. dem falschen Selbst folgen, dass abgeschnitten und unbewusst agiert.
Burnout ist keine Erscheinung die von heute auf morgen auftritt, sondern ein schleichender Prozess, der die inneren Alarmglocken immer lauter werden lässt, die aber im Fokus der Betroffenen nicht oder nur beiläufig wahrgenommen werden. Etwas erscheint so viel wichtiger, als jedes innere Stopp-Signal des Körpers und der Psyche.
Warum ist das so? Warum sind die eigenen Grenzen und indirekten Hilferufe des Organismus nicht ausreichend und bekehrend genug, um eine Besinnung und Verhaltensänderung herbeizuführen?
Warum reiben sich Menschen auf der Arbeit, für Partner, Familie oder Beziehungen bis zur Erschöpfung auf? Was ist der Grund für dieses selbstzerstörerische Übergehen der eigenen Grenzen?
Wir ahnen, es muss etwas sein, dass dem Menschen als überaus wichtig erscheint.
Überlebensmechanismus, Bedürftigkeit, mangelnder Selbstkontakt und Abgrenzung.
Bedürfnisse vs. Bedürftigkeit
Die Bedürftigkeit obsiegt über die natürlichen Bedürfnisse.
Bedürftigkeit ist ein Kompensationsmuster für das, was wir als Kind nicht ausreichend erhalten haben. Liebe…auch im Sinne von Zuwendung, Wertschätzung, Aufmerksamkeit, positive Spiegelung, Lob & Anerkennung, Zugehörigkeit.
Für ein Kind sind diese Aspekte lebensnotwendig und für seine gesunde Entwicklung unentbehrlich.
Ablehnung, Lieblosigkeit oder Nichtakzeptanz des Kindes durch nahe Bezugspersonen wirken auf das kleine Wesen lebensbedrohlich. Denn das signalisiert ihm Ausschluss. Und Ausschluss von der elterlichen Fürsorge (wozu Nahrung & Schutz gehören) bedeuten für das noch abhängige Kind der Tod. Dieser Fakt ist in den Genen (im Hirnstamm) des Kindes verankert, ohne, dass es sich darüber bewusst sein muss. Es kann noch nicht unterscheiden, relativieren oder richtig einordnen. Das ist der Grund, weshalb ein anhaltender Mangel der Erfüllung dieser existenziellen Grundbedürfnisse traumatisierend für Kinder sein kann.
Das Kind wird alles tun, um seine Grundbedürfnisse irgendwie erfüllt zu bekommen.
Sicherstellung der Bedürfnisbefriedigung durch Anpassung an elterliche, soziale, gesellschaftliche Anforderungen.
Das Selbe gilt für eine Konditionierung des Kindes dahingehend, dass diese existenziellen Grundbedürfnisse nur dann erfüllt werden, wenn es den Wünschen der Eltern = anderen und der Außenwelt entspricht. Es wird entsprechend Pflicht- und Schuldgefühle entwickeln und sich zweifelsfrei enorm anstrengen, diese teils unterschwelligen Vorgaben zu erfüllen.
Diese sich selbst übergehende Fremdbestimmung wird meist auch bis in das Erwachsenenalter hinein nicht hinterfragt, sondern als Überlebensmechanismus oder Kompensationsstrategie im Leben und in Beziehungen weiter geführt.
Dem Kind wurde womöglich nie beigebracht, dass seine Empfindungen wichtiger sind, als das, was andere (Eltern/Bezugs- und Autoritätspersonen/Gesellschaft) von ihm erwarten, da viele Eltern selbst traumatisiert sind und/oder sehr stark an gesellschaftliche Normen angepasst.
Entstanden sind innere Löcher, ein Mangel, der scheinbar nur durch Leistung, Anpassung und Unterdrückung der eigenen echten Bedürfnisse, um den Anforderungen anderer gerecht zu werden, gestillt werden kann.
Die Selbstwahrnehmung (der eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeiten) ist gestört bzw. das wahre Selbst kaum entwickelt, stattdessen sitzt das Ego und das vernachlässigte innere Kind am Steuer.
Symptome eines Burnouts
Die Symptome eines Burnouts können sowohl körperlich als auch psychisch sein und sind oft vielfältig. Hier sind einige häufige Anzeichen:
- Körperliche Symptome:
- Chronische Müdigkeit
- Schlafstörungen
- Kopfschmerzen
- Magen-Darm-Beschwerden
- Rückenschmerzen
- Herzklopfen
- Infektanfälligkeit
- Psychische Symptome:
- Antriebslosigkeit
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Reizbarkeit
- Gefühl der Überforderung
- Zynismus
- Gefühl der Wertlosigkeit
- Rückzug aus sozialen Kontakten
- Erschwerte Entscheidungsfindung
Empfohlen werden Entspannungstechniken, um Stress abzubauen und zur Ruhe zu finden. Regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und ein angemessenes Zeitmanagement. Daran ist nichts verkehrt, aber diese Tipps betreffen nur die Verhaltensebene und lösen nicht die tieferen Ursachen einer Erschöpfungsdepression / Burnout.
Die Orientierung am Anderen, statt an seinem wahren Selbst
Es gibt Muster und Glaubenssätze die bereits in der Kindheit durch Adaption, Traumata , Erziehung oder nonverbale Leitsätze der Familiendynamik entstanden sind und von anderen, wie Vorbilder, Bezugspersonen bzw. dem allgemeinen kollektiven Kulturgeist einer Leistungsgesellschaft übernommen wurden. Arbeit, Leistung und Erfolg sind hierbei höchste Werte, die mit Ansehen, Lob und Anerkennung belohnt werden.
In diesem Entwicklungsprozess des Kindes entsteht das Über-Ich mit seinem inneren Kritiker, dessen Teil der innere Antreiber ist. Das Über-Ich ist ein Produkt der Sozialisation mit den kulturellen Werten seiner Umgebung, welches uns antreibt, anderen zu gefallen, uns anzupassen und gesellschaftliche Normen zu erfüllen, anstatt auf unsere innere Stimme zu hören und unser eigenes Potenzial zu entfalten. Es ist ein innerer Zensor, der unsere Kreativität und Spontanität einschränkt und kein Interesse an dem wahren Selbst des Menschen hat. Es ist vielmehr ein innerer Gegenspieler dessen, welches das kulturelle Ich, das falsche, angepasste Selbst produziert und aufrecht erhält. Damit ist es dem Wesenskern und dem höchsten Wohl und der wahrhaftigen Entfaltung des Menschen abgeneigt. Es produziert stattdessen falsche Loyalitäten, unangemessenes Pflichtgefühl und Schuldgefühle bei nicht-Einhaltung seiner strengen, lieblosen Vorgaben.
Das „Andere“ oder das „Außen“ wird demnach internalisiert und zum eigenen Inneren Teil des falschen Selbst. Das ist der Grund, weshalb die aller meisten Menschen gar nicht das Gefühl haben, etwas anderes zu wollen, als das, wofür sie alles geben und sich dabei selbst bis zum Burnout innerlich aushöhlen, bis nur Leere und Depression bleibt. Das Kultur-Ich ist Teil von uns geworden. Damit leben und folgen wir einer Vorstellung von uns selbst, statt in der Realität – unseres wahren Selbst zu Hause zu sein. Die Fremdbestimmung muss daher in uns selbst erkannt werden. Das funktioniert nur mit ehrlicher und schonungsloser Selbstreflexion.
Als Antreiber gelten Leitsätze, die uns nicht bewusst sind, aber für die Masse „Normalität“ ist, wie etwa „Du bist nur etwas wert, wenn du viel leistest“, „Hast du was, bist du was.“, “ und Ähnliches.
Der kollektive Geist der Masse ist stark und einflussreich und versteht es, das Unnatürliche, Inhumane als Normalität darzustellen, allein dadurch, dass der Großteil danach lebt und diese Werte wie selbstverständlich geteilt werden, als sei es das Normlaste der Welt, erscheint es uns normal. Normalität ist nichts anderes als das, was die Allgemeinheit als Akzeptabel hinnimmt oder gar belohnt.
Eine Leistungsgesellschaft erzieht Menschen von Anbeginn zu angepassten Akteuren ihrer marktwirtschaftlichen Interessen , an deren System sie letztlich scheitern. Burnout, Depression und Angstzustände sind die Folgen, die stetig zunehmen und unlängst bei den Volkskrankheiten an der Spitze stehen.
Solange wir diesen internalisierten Glaubenssätzen und Leitlinien unbewusst folgen, führen wir ein fremdbestimmtes Leben, dass uns nie ganz erfüllen wird.
Einige Muster die einen Burnout begünstigen sind z.B.:
- Immer stark sein müssen
- Ständig geben, ohne etwas zu bekommen
- Selbstlos handeln, ohne Grenzen für sich selbst und andere wahrzunehmen.
- Sich nach äußeren Maßstäben orientieren.
- Funktionieren und Leistung zu erbringen ist wichtiger, als die eigenen Bedürfnisse bzw. das, was man wirklich will
- Übermäßiges Pflichtgefühl: Sich für alles und jeden verantwortlich fühlen.
- Anerkennung, Bestätigung oder Liebe in Beziehungen oder im Beruf suchen.
- Schwierigkeiten im Umgang mit Gefühlen von Hilflosigkeit, Ohnmacht, Kontrollverlust, Angst, Wut und Trauer.
- Wenig bis kein Gespür für eigene Bedürfnisse
- Eitelkeit
- Liebessucht
- Mangelnder Selbstwert
- Bedürftigkeit
Allen dieser Punkte ist eine mangelnde Autonomie und Selbstbestimmung gemein, die auf eine nicht oder kaum vorhandene Verbindung mit dem eigenen, wahren Selbst zurückzuführen ist.
Ein Burnout kann nur dann auftreten, wenn wir nicht ausreichend mit uns selbst verbunden sind und uns stattdessen am Außen orientieren. Dadurch nehmen wir unsere Grenzen und echten Bedürfnisse nicht wahr. Wir wissen schlicht nicht, was wir wirklich wollen. Haben kein klares „Ja“ und kein klares „Nein“ an passender Stelle.
Wir haben gelernt, dass wir Wertschätzung, Anerkennung und Zuneigung dann erhalten, wenn wir Erwartungen erfüllen.
Menschen die viele dieser „Löcher“ haben, die die Grundlage der Pflicht-, Sorge- und Schuldgefühle sind, suchen sich die entsprechenden Berufe in ihrem Leben.
Der Nährboden für Burnout ist bereitet
Indem wir viel für andere tun oder den Anforderungen einer Leistungsgesellschaft folgen, investieren wir all unsere Energie in das Außen. Umgekehrt holen wir uns diese Energie zurück, indem wir Anerkennung und Dankbarkeit als Reaktion erwarten und bekommen. Unsere energetische Ausrichtung ist ausschließlich nach Außen, statt durch Selbstreflexion und Introspektion nach Innen, zum wahren Selbst, zu dem, was wir fühlen, denken und wirklich brauchen gerichtet. Als Folge nehmen wir uns selbst nur oberflächlich wahr und halten den ganzen Zirkus einer menschenfeindlichen Leistungsgesellschaft, selbst für normal. Unser Handeln ist entsprechend immer an Erwartungen geknüpft.
Auch für uns, scheint alles etwas zu kosten und das, was wir geben, geben wir nicht wirklich selbstlos. Wie das kleine Kind, dass sich Anerkennung wünscht, agieren wir dabei aus einem Mangel heraus. Wir hoffen, etwas zu bekommen, wenn wir den Erwartungen im Außen entsprechen und sind ohne es überhaupt zu bemerken bereit, uns selbst dabei zu übergehen und auf unser wahres Selbst zu verzichten.
Das Agieren aus einem Mangel heraus, wird nie zu dem führen, was wir uns eigentlich wünschen, das ist der Grund, weshalb das Ego unersättlich ist.
Die inneren Löcher werden nicht oder immer nur temporär durch das Außen gestillt werden. Wir werden immer mehr wollen. Das kann mehr Geld sein, mehr Macht, mehr Anerkennung, mehr Zuneigung, mehr Dankbarkeit etc.. Menschen die viele dieser „Löcher“ haben, die die Grundlage der Pflicht-, Sorge- und Schuldgefühle sind, suchen sich die entsprechenden Berufe in ihrem Leben.
Wir finden sie überall, aber oftmals unter:
Führungskräfte in der Pflege und im Bereich Erziehung, Sozialarbeit, Heilerziehungspflege, sowie Mitarbeiter:innen in der Altenpflege und der Haus- und Familienpflege
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/507553/umfrage/berufsgruppen-mit-hohen-fehlzeiten-aufgrund-von-burn-out-erkrankungen-nach-falldauer/
In Deutschland halten sich einer Studie zufolge 61 Prozent der Arbeitnehmer selbst für Burn-out-gefährdet.
Die Lösung ist Bewusstheit, Selbstreflexion und sich der inneren Dynamiken und eigenen Beweggründe und echten Bedürfnisse bewusst zu werden.
Zu lernen zwischen Fremdanforderungen (in uns selbst!) und dem wahren Selbst zu unterscheiden.
Selbstakzeptanz fördern
Das innere bedürftige Kind in Obhut zu nehmen. Es anzunehmen und seine Bedürfnisse und Wünsche wieder wahrzunehmen und diese Selbstanteile zu integrieren. Den Selbstkontakt so zu fördern und die inneren bedürftigen oder verletzten, vernachlässigten Anteile wertneutral gewahr zu werden, verhilft die eigenen Grenzen deutlich wahrzunehmen und in die Übereinstimmung mit seinem wahren Selbst, seinem wahren unabhängigen empfinden und wünschen in Kontakt zu kommen.
Warum will ich das, was ich will? Was ist mir daran so wichtig? Worum geht es mir dabei? Was will ich wirklich? Wer bin ich wirklich und was macht mich jenseits aller Leistung aus? Sind Beispiele für lösungsorientierte Fragen, die zu Erkenntnissen führen.
Damit erwachsen wir in unsere natürliche Autonomie, die keinen Impuls verspürt, um jeden Preis anerkannt zu werden oder sich über Leistung oder gesellschaftlicher Werte und Meinungen anderer zu definieren. Wir kommen in Übereinstimmung mit unserem wahren Selbst das sich erfüllt fühlt, ohne etwas dafür leisten zu müssen. Dann sind wir nicht mehr bereit uns selbst für andere oder gesellschaftliche Anforderungen zu opfern. Das ist zugleich die effektivste Burnout Prophylaxe, denn eine Erschöpfungsdepression hat dann keine Chance mehr.