Wie eine Nachnährung des inneren Kindes stattfinden kann, das von den eigenen Eltern nicht geliebt wurde.
Vorab ein kurzer Dialog den ich bei FB zum Thema führte und der Anlass zu diesem Blog-Beitrag war:
Siam: „Fehlende Mutterliebe ist heilbar, das innere Kind kann durch sog. Nachnährung heilen. Das ist aber eine innere Arbeit zu der nicht viele bereit sind.“
Eine Frau antwortete:
“ ja, das wollte ich auch schreiben- man kann das in sich heilen- aber man muss sich den unliebsamen Gefühlen nochmal stellen und hindurchgehen – dazu sind in der Tat die wenigsten bereit und daher gibt es noch weniger Therapeuten, die das begleiten können- das geht nämlich erst, wenn man es in sich geheilt hat, sonst vermeidet es sogar der Therapeut unbewusst. Und mit kognitiven /verhaltenstherapeutischen Methoden ist dem schon gar nicht bei zu kommen, da sich das alles auf einer unbewussten Ebene abspielt.“
Siam: „Dem kann ich nur zustimmen!“
Es gibt dazu verschiedene Vorgehensweisen, die sich prinzipiell ähneln. Ein Weg wäre beispielsweise, die emotionalen Verletzungen, die durch mangelnde Liebe der Eltern entstanden sind, zunächst zu identifizieren und anschließend – nach vorausgegangener Stabilisierung – den damit einhergehenden Schmerz über das Spürbewusstsein im Körper zuzulassen. Damit erhalten die darin implizierten Gefühle, wie das Gefühl von Ablehnung oder Missachtung, Wut, Enttäuschung, Verrat oder was auch immer damit einhergeht, endlich ihren langersehnten Raum und können sich zeigen und über eine achtsame Hinwendung des Betroffenen im Körper lokalisiert und vollständig gefühlt werden. Dabei wird zwischen einem Beobachtermodus und dem Geschehen im Körper hin und her geswitcht, bzw. ist das beobachtende ausgedehnte Bewusstsein die Ressource und der Raum, in dem die Gefühle und Körperreaktionen fließen können.
Das mag schmerzhaft und unangenehm sein, aber es ist ungemein heilend. Dabei bewegen wir uns nicht mehr im rein Mentalen, des Verstehens und Einordnens dessen, was geschehen ist, wie beispielsweise in kopflastigen Schilderungen von Momenten, in denen die Lieblosigkeit geschah, oder in Erklärungen darüber, dass die Eltern selbst lieblose Eltern hatten und das Kind meist zwar geliebt haben, aber dies aufgrund ihrer eigenen Traumatisierung nicht an das Kind weitergeben konnten – was natürlich alles ebenfalls seinen relevanten Platz hat, aber die Verletzung nicht heilt -, sondern lösen die im Körper gespeicherten Erfahrungen aus dem Energie- und Nervensystem. Traumatische Erfahrungen haben einen starken organischen Effekt, weshalb diese Vorgehensweisen organische Prozesse beinhalten und berücksichtigen, und damit an die Wurzel gehen.
Ein wesentlicher Aspekt der Nachnährung liegt bei der Begleitung. Die Begleitung unterstützt Betroffene dabei, sich selbst liebevoll zu heilen, indem sie die Rolle eines fürsorglichen, einfühlsamen Elternteils (urteilfreies Gewahrsein) einnimmt und dem Betroffenen und auftauchenden inneren Kind die Sicherheit, Unterstützung, Mitgefühl und Zuwendung vermittelt, die er/sie nicht in der Kindheit erhalten hat. Das nicht geliebte Kind des Erwachsenen wird jetzt endlich gesehen, anerkannt, erhält Wertschätzung, die vermisste Bestätigung seines individuellen Wesens und absoluten Okseins, sowie Verständnis und bewertungsfreie Liebe.
Dies stellt zugleich einen sicheren Raum dar, um sämtliche unterdrückte Gefühle, die damit verbunden sind, auszudrücken und zu erforschen, damit der Klient sie besser verstehen, aber vor allem fühlen und dadurch schließlich integrieren kann. Womit der verletzte Teil der Persönlichkeit quasi nach Hause geholt wird bzw. der abgespaltene Anteil wieder in die Ganzheit integriert wird, was zu mehr innerer Freiheit, Autonomie, Erleichterung und Wohlsein und einiges mehr führt.
Die Nachnährung geschieht somit auch durch den Betroffenen selbst, da er nun selbst seinem Inneren Kind die nötige und lang ersehnte Aufmerksamkeit, Zuwendung, Verständnis und Mitgefühl zukommen lässt, allein durch sein Hinschauen. Kinder wollen vor allem (urteilsfrei) gesehen werden. Wir sprechen allgemein dann von Selbstliebe – was soviel bedeutet, wie die abgeschobenen unliebsamen Anteile nicht in der Verdrängung zu belassen und damit weiterhin abzulehnen. Alles will im Grunde gesehen, anerkannt und da sein dürfen, um sich zu erlösen.
Unbewusste verletzte innere Kindanteile sorgen immer für eine innere Abspaltung – vor dem Schmerz, den man glaubt nicht aushalten zu können, weil wir als Kinder tatsächlich noch nicht die inneren Ressourcen und Kapazitäten dazu hatten, weshalb der Organismus zu seinem Schutz vor Überwältigung die entsprechenden Ereignisse tief verdrängt – was ein normaler gesunder Mechanismus ist. Sobald die Gefühle eines stark verletzten inneren Kind Anteil im Erwachsenen aktiv werden, erscheint es dem Erwachsenen genau so bedrohlich, wie im Moment der Kindheit, wo die bekannten Abwehrmechanismen entstanden sind.
Der Erwachsene wird sich nun und meist unbewusst irgendwie zerstreuen, ablenken dies blitzschnell kompensieren quasi. Viele fühlen nicht mal mehr die Angst, weil sich der Abwehrmechanismus mit den Jahren perfektioniert hat und nicht einmal die kleinste Annäherung an unliebsame Gefühle zulässt.
Er hat allerdings jetzt ganz andere Möglichkeiten. Er ist nicht mehr das hilflose, abhängige kleine Kind und er ist in der Lage auch sehr unangenehme Gefühle auszuhalten. Und je geübter darin, desto größer wird der innere Raum für sog. negative Gefühle und desto weniger Angst hat er davor. Resilienz kann ein Ergebnis davon sein, von und für innere Offenheit und Durchlässigkeit, für das ganze Spektrum eigener verdrängter Empfindungen.
Aber diese aus dem Nervensystem signalisierte Täuschung, die sich als Abwehrmechanismus zeigt, ist der Grund, warum viele davor zurückschrecken. Es ist also gut möglich, dass wir zunächst auf eine Schicht von Angst stoßen und diese erst einmal durch Annahme lösen müssen, bevor es weiter zu den eigentlichen Inhalten der Verletzung geht.
Methoden und Techniken Es kommt immer darauf an, wer mich konsultiert. Wer ein bewusstes Erleben von Gewahrsein hat, wird anders begleitet, als jemand, der keinerlei Kenntnis von seiner wahren Natur hat.