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Das autonome Nervensystem und seine mächtige Funktion


Das autonome Nervensystem (ANS) hat nichts anderes im Sinn, als unser Überleben zu sichern. Das bedeutet, alles was es tut, ist eigentlich in unserem Sinne. Es liebt uns quasi unendlich und ist schonungslos treu. 😉
Es reguliert wichtige Körperfunktionen wie die Atmung, die Verdauung und die Körpertemperatur autonom, ohne dass wir bewusst Einfluss darauf nehmen oder seine Prozesse wahrnehmen können. Es entspringt dem evolutionär älteren Hirnareal, dem Hirnstamm und existiert schon länger als der sich später entwickelnde Neokortex als jüngster Teil des Gehirns, der für bewusstes Denken, Abwägen, das Speichern von Lerninhalten und bewusste Erfahrungen sowie das Treffen von willentlichen Entscheidungen verantwortlich ist.

Das autonome Nervensystem (ANS) speichert ebenfalls Erfahrungen, einschließlich traumatischer Erlebnisse, maßgeblich in der frühkindlichen Entwicklung, als neuronale Verschaltungen im Gehirn und Nervensystem ab. Obwohl dieser Prozess auch im Erwachsenenalter stattfindet, sind die Auswirkungen in der frühen Lebensspanne am weitreichendsten. Hierbei handelt es sich nicht nur um singuläre Ereignisse, die als Schocktraumata bezeichnet werden, wie Unfälle, Operationen, Vergewaltigungen und Ähnliches, sondern auch um wiederholt auftretende, vermeintlich weniger dramatische Erfahrungen, die traumatische Auswirkungen haben können und wenn sie in der Kindheit und Jugend stattfinden zu Entwicklungstraumata führen.

Diese Erinnerungen im ANS unterscheiden sich grundlegend von Vorstellungen oder erlerntem Wissen, wie dem, was wir beispielsweise in der Schule gelernt haben. Statt bloßer mentaler Vorstellungen handelt es sich hierbei um physisch-biologische Prägungen im Gehirn/Nervensystem. Dadurch sind sie nicht nur unbewusst, sondern auch wesentlich stabiler, fundamentaler und existenzieller im Vergleich zu Wissen, Vorstellungen und Ideen in unserem Verstand, die bewusst abrufbar und flexibler sind.
Diese Inhalte des Neocortex(Verstandes) haben zudem keinen direkten Einfluss auf die Einschätzungen und Reaktionen des ANS, da wir keinen direkten, willentlichen Zugriff auf das Nervensystem haben.

Das ANS reagiert wie ein Seismograph. Es überprüft automatisch ständig die Umgebung und das Innere des Körpers auf Sicherheit, potenzielle Bedrohung oder lebensgefährliche Situationen, hauptsächlich durch Körper- und Sinnesempfindungen und ist unabhängig von unseren bewussten Gedanken und Meinungen. Das ANS hat sozusagen seine eigene Meinung, die aus früheren Erfahrungen und Überlebensmechanismen gespeist wird. Neurozeption oder threat detection nennt sich dieser unbewusste Prozess, bei dem wir ständig auf Signale von anderen Menschen reagieren – z.B. auf ihre Mimik, Blicke, Stimme, Haltung und Verhalten.

Die ersten drei Jahre eines Kindes sind besonders prägend für die Regulation seines Nervensystems. In dieser Zeit lernt das Nervensystem, sich selbst zu regulieren und bei Stress zu beruhigen. Es ist dabei vollständig auf die einfühlsame und liebevolle Fürsorge der Bezugspersonen angewiesen, die eine “Co-Regulation” seines Nervensystems durch das sozial entspannte und freundlich ausstrahlende Nervensystem der Eltern ermöglicht und ihm hilft, die Fähigkeit zur Selbstregulation später im Leben gut zu entwickeln.

Gelingt dies nicht, führt dies zu einem dysreguliertem Nervensystem bis zum Erwachsenenalter, das verschiedene Symptome verursacht und unsere Lebensqualität erheblich einschränken kann. Die Anspannung und der Stress bleiben bestehen, bis diese Kontraktionen entladen werden. Dies kann jedoch nicht vollständig durch kognitive oder emotionale Prozesse geschehen, da es sich nicht um den Geist oder die Psyche handelt, sondern um eine biologische Ursache im Körper. Aus diesem Grund helfen klassische Verhaltenstherapie oder Psychotherapie-Verfahren oftmals nicht weiter.

Was bedeutet das für die Entwicklung von Kindern und was sind die Folgen?

Das Baby hat seinen Neokortex noch nicht entwickelt. Anders als die Eltern weiß das länger schreiende Baby beispielsweise nicht, dass es bald sicher versorgt sein wird und erlebt daher das Abwesend bleiben der Eltern als große Not, begleitet von empfundener Todesangst, da sein Nervensystem diese Situation als lebensgefährlich bewertet. Es weiß zumindest instinktiv, dass es von der Zuwendung, Aufmerksamkeit und Fürsorge der Bezugspersonen abhängig ist und sterben würde, wenn diese ausbleiben würden. Somit ist bereits das wiederholte Schreien-Lassen eine traumatische Erfahrung für das Kind.
Das ist nur ein Beispiel von vielen Möglichkeiten in denen Eltern, die ihr Kind lieben (meist aufgrund von Unwissen oder eigener Traumatisierungen) ungewollt dem Kind in dem Fall nichts gutes tun.
Auch der Liebesentzug oder die Bestrafung bei unerwünschten Äußerungen des Kleinkindes, sei es beispielsweise Ärger oder Wut, werden als höchst bedrohlich vom Nervensystem eingestuft. Denn das Kind weiß, wie gesagt, dass es von den Eltern existenziell abhängig ist.
Das kann später zur Folge haben, dass Ärger und Wut mit Todesangst verknüpft sind und so zu einem über angepassten Verhalten führen, weil der Ausdruck von Ärger, sich mal durchzusetzen oder ein entschiedenes “Nein” zu entgegnen diese alten Ängste im NS reaktivieren.

In diesem frühen Stadium als Säugling und Kleinkind (ca. bis zum 2.-3. Lebensjahr) ist das Baby noch in einem Zustand des tiefenentspannten Einheitserlebens.

Unsere Gesellschaft ist jedoch so strukturiert, dass Kinder von Anbeginn erzogen, kultiviert und sozialisiert werden, um in einer leistungsorientierten Umgebung gut zu funktionieren. Dabei wird zwangsläufig wenig Wert auf die noch vorhandene Anbindung zur wahren Natur oder zum authentischen Selbst gelegt, an dem das Kind natürlicherweise angebunden ist bzw. das ihm zu eigen ist.
Das Baby erlebt sich in Einheit mit allem, was ist, und nimmt keine Trennung zwischen einem “Du” und “Ich” wahr. Es fühlt sich eins mit den Bezugspersonen und der Umgebung/Welt, und es existiert in einem Zustand ungetrennter Verbundenheit.
Daher ist es in seiner grenzenlosen, unschuldigen Offenheit und Durchlässigkeit besonders empfindsam und verletzlich und allen Eindrücken schutzlos ausgeliefert, da es in seiner Not nur mit Erstarrung und Dissoziation reagieren kann.
Mit der Wiederholung lebensbedrohlicher Erfahrungen entwickelt es den angespannten sogenannten Charakterpanzer nach Wilhelm Reich, der uns von unseren emotionalen Empfindungen abschneidet und unsere natürliche Lebendigkeit einschränkt. Es ist durch Erziehung/Kultivierung/Sozialisierung gezwungen sein wahres authentisches Selbst für ein an die Gesellschaft angepasstes “Selbst” zu opfern.
Darüber hinaus verliert es seine heilsame Anbindung zur Quelle die mit einer grenzenlosen Offenheit, Durchlässigkeit und glückseliger Wonne und einem völlig entspannten Organismus einhergeht. Der Zustand, den wir Menschen anschließend, oftmals unbewusst, über vielerlei Dinge suchen und zurücksehnen.

Es ist demnach zwangsläufig, dass ziemlich jeder eine Reihe von nicht erfüllten frühkindlichen Bedürfnissen erlebt hat und das essenzielle Bedürfnis einbüßt, nämlich wir Selbst und in dieser wonnigen gelösten Anbindung an unserer Quelle zu sein, da wir aus der natürlichen Einheitserfahrung, in der wir als Baby noch alle waren, herausgefallen werden. Somit leiden fast alle Menschen mehr oder weniger an einem Entwicklungstrauma das oftmals auch mit einem Bindungstraumata einhergeht.
Von weiteren Übergriffen, Missbrauch und Vernachlässigung abgesehen scheint es nur im Schweregrad der Traumatisierung Unterschiede zu geben.

Die Symptome eines gestressten oder traumatisierten Nervensystem können variieren, und sich verschieden äußern. Einige mögliche Anzeichen sind:

◦ Schnellere und flachere Atmung
◦ Verstärkte Muskelspannung, insbesondere im Nacken, Schultern und Rücken
◦ Vermehrtes Schwitzen
◦ Unruhe und Nervosität
◦ Eingeschränkte Verdauungsfunktion (z. B. Magen-Darm-Beschwerden)
◦ Verengte Wahrnehmungsfokussierung auf potenzielle Gefahren
◦ Erstarrung oder Einfrieren bei Überforderung
◦ Gefühl der Abwesenheit oder Abspaltung von der Umwelt
◦ Reduzierte Körperempfindung und emotionale Betäubung
◦ Geringe Energiereserven und Antriebslosigkeit
◦ Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder Entscheidungen zu treffen
◦ Schlafstörungen, wie Einschlaf- oder Durchschlafprobleme
◦ Überwältigende Angst oder Panikattacken

und einiges mehr…

Im Nervensystem entwickeln sich zugleich unbewusste Überzeugungen und Glaubensmuster, die unsere Wahrnehmung der Umgebung subjektiv verzerren, ohne dass uns das bewusst ist. Unser Nervensystem registriert nicht das, was ist, sondern interpretiert die Welt durch den Filter des sich immer noch bedroht fühlenden ANS.
Selbst in einer sicheren Umgebung interpretiert ein traumatisiertes Nervensystem oft neutrale oder harmlose Signale als unsicher oder bedrohlich. Dadurch bleibt unser Körper in einem angespannten Zustand verhaftet, der wiederum vielerlei negative Auswirkungen auf unser Wohlbefinden in Körper-Geist-und Seele hat.

Entgegen der landläufigen Annahme steuert also unser Gehirn nicht das Nervensystem, sondern das Nervensystem gibt unserem Gehirn entscheidende Impulse und Handlungsanweisungen. Körper und Gehirn beeinflussen sich gegenseitig, wobei 80% von unten nach oben (vom Nervensystem zum Gehirn) und nur 20% von oben nach unten (vom Gehirn zum Körper & Nervensystem) fließen. Daher können viele willentliche Vorsätze und vernünftige Entscheidungen, nicht dauerhaft gelingen oder gar nicht erst umgesetzt werden. Das Nervensystem stellt sich als mächtiger Saboteur heraus, gegen den unser Neokortex/Verstand nichts auszurichten vermag.

Die Gute Nachricht ist, dass es nicht nur Lösungen dafür gibt, sondern braucht sich niemand mehr wundern, sich gar für unfähig, zu blöd oder meinen, dass etwas mit ihm nicht stimmt, wenn er Handlungsanweisungen oder eigene Impulse, die so vernünftig und logisch auch bei Coaches oder klassische Verhaltenstherapeuten/Psychotherapeuten klingen, einfach nicht umsetzen kann. Wenn er ständig auf Widerstände stößt und es sich frustrierend, zäh und müßig anfühlt. Diese tieferen Vorgänge des ANS unterliegen nicht unserem direkten Einfluss und somit nicht dem freien Willen, auch wenn wir (Kopf/Neocortex) wissen, was angemessen wäre. Das Nervensystem geht im wahrsten Sinne vor.

Es geht also auch beim Erwachen oder der sog. Erleuchtung, die für mich nichts anderes ist, als die Rückanbindung zu dem ganz natürlichen, unschuldig offenen und durchlässigen Zustand des gesamten Organismus. Anders wie beim Baby, in b e w u s s t erlebter Anbindung an unserer wahren Natur und unserem authentischen Selbst.
Ein neu geborenes Baby lebt noch in diesem tiefen-entspannten, glückseligen Zustand, trotz möglicher pränatale oder genetisch bedingter Prägungen aus der Ahnenreihe. Es ist daher nicht so, dass wir völlig frei von Prägungen und Eindrücken sein müssten, aber weitestgehend schon.

Eine ganzheitliche Therapie, die Körper, Geist und Seele einbezieht, kann dazu beitragen, das gestresste oder traumatisierte Nervensystem zu regulieren und die Wiederherstellung eines gesunden Gleichgewichts zu unterstützen. Solche Therapien können Entspannungsübungen, Achtsamkeitspraktiken, körperorientierte Therapien und Traumabewältigungsansätze beinhalten.


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