Die Kompatibilität von Mustern und dem wahren Selbst

Wenn sich zwei Menschen begegnen, braucht es einen gewissen Abgleich zwischen ihren Systemen. Wir finden heraus, was der andere mag oder nicht mag, wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede liegen und wie sich diese auf die Beziehung auswirken.

Es geht auch darum, Kompromisse einzugehen und sich auf die Wünsche des anderen einzulassen. Es erfordert die Fähigkeit, Rücksicht zu nehmen und sich anzupassen, ohne dabei unsere eigenen Werte und Autonomie aufzugeben.

Niemand ist perfekt. Es kann daher vorkommen, dass wir uns gegenseitig versehentlich verletzen, besonders wenn wir authentisch und nicht nach erlernten, systemtreuen Standards handeln, die uns von klein auf beigebracht wurden, um in das kulturelle Gesellschaftssystem zu passen. Jedoch ist anzumerken, dass das System, in das wir eingebettet sind, selbst an kollektiven Traumafolgestörungen leidet, meist auf Ego-Strukturen basiert und daher nicht so menschenfreundlich ist, wie es vorgibt zu sein. Aber das ist ein anderes Thema.

Wenn wir den anderen also versehentlich verletzen, können wir uns im Nachhinein entschuldigen und Verständnis für unseren Partner zeigen. In solchen Fällen reicht eine Entschuldigung oft aus. Doch wenn es sich um ein wiederkehrendes Muster handelt, sind Entschuldigungen allein nicht ausreichend. Muster sind starre Konstruktionen, die tatsächlich durch Auseinandersetzung und innere Reflexion aufgelöst werden müssen, damit diese Verletzungen nicht immer wieder stattfinden müssen.

Dazu zählen z.B.:

Mauern, Vermeidungsverhalten in Bezug auf Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse, die Nichtbereitschaft zu reflektieren, Projektionen zu erkennen und zurückzunehmen, Angst vor Verletzlichkeit, Kontrollbedürfnis das dazu führt, dem Partner beispielsweise zu misstrauen und ähnliches.

An diesem Punkt sprechen wir häufig von einer Inkompatibilität.

D.h. trotz Liebe oder Verliebtheit passen zwei Menschen einfach nicht zusammen.

Entweder die Verbindung ist überwiegend schmerzhaft und unglücklich oder kommt, darüber hinaus oder gerade deshalb, erst gar nicht zustande.

Beispiele:

1. Komplementäre Muster: Ein Mensch, der autonom ist und wenig Rücksicht auf den Partner nimmt, trifft auf jemanden, der wenig Autonomie zeigt und sich übermäßig anpasst. Wenn der weniger autonome Partner beginnt, seine Autonomie auszuleben, wird dies das vermeintliche Gleichgewicht in der Beziehung stören und eine Anpassung des rücksichtslosen Partners zu einem einfühlsameren Verhalten erfordern.

Oftmals geschieht jedoch keine Veränderung bei beiden oder nur der/die “Unterdrückte” befreit sich aus dem eigentlichen Ungleichgewicht, dass nur durch seine Anpassung aufrechterhalten wurde.

Ein weiteres Beispiel: Jemand kontrolliert den Partner ständig aus Angst oder Unsicherheit, während der Kontrollierte dies über sich ergehen lässt und sich übermäßig anpasst, aus Angst, ihn/sie sonst zu verlieren.

2. Gleichartige Muster:

Wenn beide Partner beispielsweise bindungsscheu sind, kann es zu einer langfristigen Beziehung kommen, bei der sie getrennt voneinander in eigenen Wohnungen leben. Beide Partner erleben ihre Muster nicht als hinderlich, da ihr Bedürfnis nach Distanz und Autonomie erfüllt wird. Obwohl diese Beziehung möglicherweise nicht die Tiefe hat, die eine Verbindung haben könnte, führen sie oft ein relativ zufriedenes Leben. Es gibt weniger Auslöser für Konflikte und es lockt sie kaum aus ihrer Komfortzone.
Ein weiteres Beispiel von vielen wäre: Beide haben ein hohes Bedürfnis nach Nähe und können kaum ohne den anderen sein. Diese Paare leben ein hohes Maß an Anpassung. Sie machen fast alles gemeinsam und nur selten planen sie etwas, ohne ihren Partner. Beide fühlen sich schneller unwohl, wenn der andere mal nicht da ist und auch mal seine “eigenen Wege” außerhalb der Beziehung geht.

Hier sehen wir also, es geht darum ob und wie kompatibel die Muster sind! Oder anders ausgedrückt: Wie gut passen die Traumfolgeerscheinungen des einen, zu den Traumafolgeerscheinungen des anderen? Es gibt hierbei durchaus lange, friedliche Verbindungen, oftmals ohne sonderliche Tiefe, aber auch häufig sehr unerfüllte Begegnungen.

3. Muster vs. wahres Selbst.
Inkompatibilität entsteht auch dann, wenn auf der einen Seite ein gesundes Bindungsverhalten besteht, das vom anderen nicht akzeptiert wird. Wenn beispielsweise dein natürliches Bedürfnis nach Nähe oder Autonomie in einer Verbindung nicht gelebt werden kann, weil der andere zu viel oder zu wenig von beidem will bzw. zulässt.
Auch hier wäre es theoretisch möglich eine Balance durch die Auflösung hinderlicher Muster herzustellen, als einzige Dauerlösung, ohne die es inkompatibel bleiben würde.

Wir sind nicht unsere Muster.
Viele Muster entstehen in der Kindheit und Jugend als Reaktion auf äußerst unangenehme oder bedrohlich erscheinende Gefühle. Sie dienen als erfolgreiche und gesunde Bewältigungsstrategie, um mit traumatischen Erfahrungen umzugehen. Doch als Erwachsene haben wir die Fähigkeit und die Möglichkeit zu lernen, mit all den unangenehmen Empfindungen umzugehen, die in uns aufkommen können. Daher sind diese alten Muster, die gleichzeitig tiefe, erfüllende Beziehungen erschweren oder sogar unmöglich machen können, nicht nur weder nützlich noch angemessen, sondern sie repräsentieren nicht unseren wahren SELBST-Ausdruck, der jenseits dieser erlernten Muster zum Vorschein kommt.

Freiheit von rigiden Mustern.
Es geht also nicht nur darum, dass wir unsere Partner nicht unnötig verletzen und dadurch intime Beziehungen erschweren, sondern geht es auch um die gelebte innere Freiheit unseres wahren Selbst. Erst dann kann unsere Seele oder unser wahres Selbst entscheiden, was tatsächlich kompatibel ist.

Einige Muster können auch im Erwachsenenalter entstehen oder durch wiederholte Verletzungen in Beziehungen verstärkt werden. Diese Erfahrungen können unsere bereits bestehenden Muster beeinflussen und zu neuen Mustern führen, die es uns erschweren, erfüllende und gesunde Beziehungen einzugehen.

Es ist jedoch möglich, diese Muster zu reflektieren und zu transformieren. Durch Selbstreflexion, Bewusstsein und persönliches Wachstum können wir uns von den begrenzenden Mustern lösen und authentischer in unseren Beziehungen sein. Indem wir die Wunden der Vergangenheit heilen und unsere eigenen Bedürfnisse und Grenzen verstehen, können wir Beziehungen auf einer wesentlich heilsameren, erfüllenden Weise und auf tieferen Ebene leben.
Wenn wir uns von diesen Mustern befreien, entsteht eine Lebendigkeit und Offenheit, die es uns ermöglicht u.a. Intimität und Nähe zuzulassen. Selbst wenn gelegentlich Unsicherheit oder Ängste aufgrund vergangener negativer Erfahrungen auftauchen, hindern sie uns nicht mehr daran, uns vollständig einzulassen und uns hinzugeben, ohne in ungesunde Abhängigkeiten zu geraten oder unsere Autonomie aufzugeben.

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